Projekt zur NS-Zwangsarbeit in der Dübener Heide: Recherchereise zu Nachfahren ehemaliger Zwangsarbeiter aus Belgien

Vom 25. bis 28. März waren die Projektleiter Christopher Mäbert und Julia Tausend (vom Verein raum4) wir für ein aktuelles Projekt zur NS-Zwangsarbeit in der Dübener Heide auf Recherchereise in Belgien. Dort besuchten sie das Dorf Haasdonk, aus dem im Jahr 1943 elf junge Männer nach Düben gebracht wurden, um im nahegelegenen Deutschen Sprengchemiewerk Moschwig (DSCM) Zwangsarbeit zu leisten.

Im Zuge der Recherchen trafen sie dort Nachfahren, deren beide Väter Gaston De Rycke und Gaston Heyndrickx nach Düben verpflichtet wurden. Kurz nach ihrem 20. Geburtstag erhielten sie einen Brief, in dem sie aufgefordert wurden, sich auf ihren „Arbeitseinsatz“ ins Deutsche Reich vorzubereiten. Die Abreise erfolgte am 15. April 1943 mit der Bahn in Richtung Leipzig. Nach drei Tagen erreichten sie Düben. Ursprünglich war es die Absicht, dass die elf jungen Männer aus Haasdonk im Arbeitslager in der Nähe der Sprengstofffabrik untergebracht werden sollten. Das Lager war jedoch zu dieser Zeit komplett ausgelastet. Weshalb die Männer mit 92 weiteren Belgiern in einer Baracke in der Stadt Düben untergebracht wurden.

Um zu ihrer Arbeitsstelle im Sprengchemiewerk zu gelangen, fuhren die jungen Männer täglich mit der Bahn vom Bahnhof Düben über Söllichau bis zur Fabrik. Sie arbeiteten 6 von 7 Tagen im Schichtbetrieb, 10 Stunden pro Tag. Für die Arbeit erhielten sie einen kleinen Lohn, sodass sie sich z.T. Nahrungsmittel selbst kaufen konnten. Um der gefährlichen und ungesunden Arbeit in der Fabrik zu entgehen, versuchten einige von ihnen bei den ansässigen Bauern zu arbeiten. In der Landwirtschaft gab es wesentlich bessere Arbeitsbedingungen und bessere Nahrungsmittel.

Der Aufenthalt in Düben war von den Bedingungen her angenehmer als im Arbeitslager. Die Männer konnten Pakete (mit Nahrungsmittel, Kleidung und Tabak) von ihren Familien aus Belgien empfangen. Zudem war es ihnen möglich, sich mehr oder weniger frei im Dorf zu bewegen, Sport zu trieben, Musik zu machen und in die Kirche zu gehen.

Gaston De Rycke schrieb im Zeitraum von April 1943 bis Mai 1945 über 120 Briefe an seine Mutter. Die Familie bewahrte die Briefe auf. Es war möglich, die Dokumente zu sichten und so neue Informationen über den Alltag in der Fabrik und im Lager zu erhalten. Als Projektergebnis entsteht eine Audiotour zur NS-Zwangsarbeit durch Bad Düben. Im Rahmen dessen sprach die Tochter Agnes De Rycke ausgewählte Briefe ihres Vaters ein.

Zudem gab es ein Treffen mit einigen Bewohner:innen aus Haasdonk, bei dem ein Austausch zum Projekt und der Geschichte des Dorfes während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg stattfand. Ein Anliegen der Recherchereise war es außerdem weitere Geschichten von den über 90 belgischen Zwangsarbeitern aus der Region zu erfahren.

Ein besonderer Dank gilt Karel Heyndrickx und Agnes De Rycke für ihre Offenheit, ihr Engagement und ihre Unterstützung.

Das Projekt wird gefördert durch die Patenschaft für Demokratie Eilenburg – Laußig – Bad Düben.