LVZ: „Viertes Stolpersteinprojekt am Gymnasium Schkeuditz“

Am 22. August gab es einen großen Beitrag in der Leipziger Volkszeitung zu unserem aktuellen Stolpersteinprojekt mit den 15 Schülerinnen und Schülern des Gymnasium Schkeuditz. Im Lokalteil erschien dieser Artikel von Roland Heinrich. Im Wortlaut:

Schkeuditz. Seit Beginn des Schuljahres recherchieren 15 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schkeuditz außerschulisch zum Schicksal von insgesamt vier einstigen Schkeuditzern. „Erneut“ muss ergänzt werden. Denn wer durch Schkeuditz läuft, der „stolpert“ bereits über die Schicksale der durch das NS-Regime verfolgten, jüdischen Familie Goldberger, über das des Kommunisten Kurt Beyers und über die Geschichte der Sinti Familie Laubinger/Steinbach. Alle zehn Erinnerungssteine wurden als Resultat der Projektarbeiten des Schkeuditzer Gymnasiums in Zusammenarbeit mit dem Verein Erich-Zeigner-Haus aus Leipzig verlegt. Für die Stolperstein-Inschriften war zuvor eine umfangreiche Recherche mit Unterstützung des Stadtmuseums notwendig.

Stolpersteine gedenken allen Menschen, die in der Nazi-Diktatur deportiert, ermordet, vertrieben oder in den Suizid getrieben worden sind. So erinnern die Stolpersteine in der Landwehrstraße, in der Waldstraße und vor der Albanuskirche bereits an drei unterschiedliche Opfergruppen. Vier weitere Stolpersteine sollen nun im Juni kommenden Jahres in Schkeuditz hinzukommen.

LVZ, 22.08.2017Zum einen wird die Projektgruppe der zwölften Klasse intensiv das Schicksal des Juden Osias Krumholz erforschen, informierte Henry Lewkowitz vom Erich-Zeigner-Haus-Verein. Bereits erfolgte Recherchen im Schkeuditzer Stadtmuseum und im Staatsarchiv Merseburg ergaben, dass Krumholz am 8. Dezember 1891 in Uscieriky (ehemals Galizien) geboren worden war. Der spätere Kaufmann war einer von sechs Geschwistern und Sohn des Holzindustriellen Moses Krumholz. Zuletzt wohnhaft war Osias Krumholz in der Waldstraße 13, wo die Verfolgung durch die Gestapo begann. Am 20. Juli 1939 wurde er wegen seines jüdischen Bekenntnisses durch die Gestapo verhaftet und in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Im gleichen Jahr wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald interniert und mit der Häftlingsnummer 8245 registriert. Es folgte die Internierung in Dachau 1940, von wo er 1941 zurück nach Buchenwald deportiert wurde, nachdem an ihm medizinische Experimente durchgeführt worden sind. „Zu den genauen Hintergründen recherchieren gerade die Jugendlichen“, teilte Lewkowitz mit. Am 4. April 1942 wurde Osias Krumholz in der NS-Tötungsanstalt Bernburg ermordet. Insgesamt mehr als 14 000 Menschen wurden in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Bernburg getötet, erwähnte Lewkowitz.

Die Projektgruppe des Gymnasiums erforscht zum anderen außerdem das Schicksal der jüdischen Familie Engelberg, bestehend aus Nathalie Engelberg, geborene Gutmann, ihrem Ehemann Heinrich Engelberg und der gemeinsamen Tochter Hildegard Engelberg, die zuletzt in der Merseburger Straße 5 in Schkeuditz wohnten. „Die Recherchen stehen noch am Anfang, durch Dokumente aus dem Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen ist aber bereits bekannt, dass alle Mitglieder der Familie ihr Leben im Konzentrationslager Auschwitz verloren“, sagte der Projektleiter vom Erich-Zeigner-Haus-Verein.

Wie in den vergangenen Projekten werden die Schüler fehlende Informationen selbstständig, mit inhaltlicher Begleitung durch Lehrerin Claudia Rohr und Lewkowitz, recherchieren. „Durch das historische Lernen anhand der Auseinandersetzung mit konkreten Schicksalen entwickeln sich die Jugendlichen selbst zu ,Zeit-Zeugen‘, können sich besser in die Geschichte hineinversetzen als durch bloße theoretische Beschäftigung mit dem NS-Regime und erkennen daher die Notwendigkeit und die politische Bedeutung von Erinnerungskultur in der Gegenwart“, meinte Lewkowitz.

Geplant sei in den kommenden Monaten, dass die Gymnasiasten eine Biografie zu Osias Krumholz und der Familie Engelberg erstellen. Mit dem selbst erarbeiteten Informationsflyer wollen sie dann die Öffentlichkeit informieren und erneut Spenden sammeln gehen, da Stolpersteine ausschließlich durch Spenden finanziert werden.

Unterstützt wird dieses Projekt allerdings von der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz, informierte Lewkowitz. Es wird ferner erstmals gefördert im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“ in Nordsachsen und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sowie vom Freistaat Sachsen und durch den Landkreis Nordsachsen.“