Zwei Stolpersteine für Käthe und Jochen Leibel
Seit Februar 2024 recherchieren 8 Jugendliche des Immanuel-Kant-Gymnasiums Leipzig die Biografien von Käthe und ihrem Sohn Jochen Leibel. Immer Montags aller zwei Wochen traf sich die Projektgruppe nach dem regulären Schulunterricht. Im Projekt wurden mehrere Exkursionen durchgeführt. Die Gruppe hat einen Stadtrundgang zum jüdischen Leben in Leipzig gemacht und war im Stadtarchiv. Dort recherchierten sie mithilfe von Originaldokumenten die Biografien der Leibel-Familie sowie ihrer Retterinnen und Retter. Außerdem besuchte die Gruppe einen Konzertworkshop, der zu ehren der jüdischen Musikerinnen und Musiker veranstaltet wurde, die ihre Werke zum Teil in Konzentrationslagern komponierten. Darüber hinaus unternahmen sie einen Ausflug ins Jüdische Museum in Berlin. Dort lernten die Jugendlichen viel über die Verfolgung, Ausgrenzung und Diskriminierung jüdischer Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus.
Käthe Leibel wurde am 11. Februar 1914 in Leipzig geboren, ihr Sohn Richard Joachim, genannt Jochen, kam am 6. Juni 1940 zur Welt. Der Vater war kein Jude, weshalb eine Heirat nach den „Nürnberger Gesetzen“ verboten war und seine Identität geheim blieb.
Käthe Leibel lebte bei ihren Eltern in der Elsterstraße 53 in Leipzig. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten war sie gezwungen mit ihrem neugeborenen Sohn in mehreren sogenannten Judenhäusern unterzukommen. Beide standen auf der Liste für den ersten Judentransport aus Leipzig im Jahr 1942. Aber dank Käthes kriegswichtiger Anstellung als Pelznäherin wurden sie vorerst von der Liste gestrichen.
Im Februar 1943 tauchten die Namen der Leibels erneut auf einer Deportationsliste auf. Johanna Landgraf, eine Freundin von Käthe Leibel ahnte schlimmes und warnte: „Du kommst ein Lager, ihr werdet ermordet.“ Zwei Tage vor dem geplanten Transporttermin tauchte Käthe Leibel mit ihrem Sohn unter. In ihrem Zimmer im „Judenhaus“ in der Großen Fleischergasse hinterließ sie einen Abschiedsbrief, in dem sie einen Selbstmord vortäuschte.
Johanna Landgraf half ihr bei der Flucht. Sie wandte sich an Erich Zeigner, der wiederum den Rat von Pater Aurelius Arkenau einholte. Die Leibels fanden schließlich Zuflucht im Dominikanerkloster in Leipzig-Wahren. Der Ort konnte nicht lange als Versteck für die beiden dienen, so wurden sie von Johanna bei ihren alten Schulfreundinnen untergebracht, jedoch konnten sie auch hier nie lange bleiben, da Jochen als Kind Aufmerksamkeit auf sich zog. Schließlich mussten Käthe und Jochen getrennt untergebracht werden. Während Käthe in Thüringen untertauchte, kam Jochen bei der Familie Philipp in Leipzig unter. Historiker bezeichnen jene, die Juden halfen und versteckten, als „Stille Helden“.
Pater Arkenau und Landgraf besorgten in Berlin neue Papiere für Käthe Leibel, die nun die Identität von Helga Rousseau annahm, ihr Sohn Jochen bekam den Namen Richard Rousseau. Zusammen kamen sie in Halle bei der katholischen Familie Koch unter. Dort wohnen sie im Gärtnerhaus und Käthe arbeitete im Betrieb mit. Nach der Befreiung durch US-Soldaten konnten Mutter und Sohn schließlich ihr Versteck verlassen.
Beide Familie bleiben auch nach 1945 in engem Kontakt. Nachdem Käthe Leibel jedoch durch die Staatssicherheit der neugegründeten DDR aufgefordert wurde, die katholische Familie Koch zu bespitzeln, verließen beide Familien 1951 die DDR und flohen nach West-Berlin. Käthe Leibel verstarb 2008 in Hamburg, Jochen ging als Journalist nach Frankreich und starb im Jahr 2019. Weiterführende Informationen zur Geschichte nach 1945 finden sich in einer Broschüre zu den „Stillen Helden“ Edgar und Ernestine Koch vom Verein Zeitgeschichte(n) e.V.
Die Stolpersteine für Käthe und Jochen Leibel werden am 06. März 2025, um 9:00 Uhr in der Elsterstraße 53 in Leipzig verlegt.
- Der Ausweis mit dem aus Käthe Leibel Helga Roussau wurde.
- Der dreijährige Jochen Leibel.
- Auszug der „Transportliste II“ vom 16.02.1943. Unter den Transportnummern 114 und 115 sind die Namen von Käthe und Jochen Leibel eingetragen und wieder gestrichen worden, Quelle: Arolsen Archives
- Johanna Landgraf – eine „Stille Heldin“.
- Zum 100. Geburtstag besuchte Jochen Leibel Johanna Landgraf, Quelle: LVZ-Archiv.
- Die Projektgruppe im Depot im Leipziger Stadtarchiv.
- Die Projektgruppe auf Exkursion ins Leipziger Stadtarchiv.
- Die Projektgruppe aus den 10. Klassen des Kant-Gymnasium Leipzig.
- Die Projektgruppe stellte ihre Ergebnisse im Rahmen des Tages der offenen Tür am 24.01.2025 der Öffentlichkeit vor. Interessierte konnten Fragen zur Biografie der Familie Leibel stellen und für die Stolpersteine spenden.
- Die Gruppe auf Exkursion im Jüdischen Museum Berlin