Ein Stolperstein für Ilse Gutowski
Seit Mai 2024 recherchieren 19 Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Oberschule Brandis die Biografie von Ilse Gutowski. Ihr Ziel ist die Verlegung des ersten Stolpersteines in der Stadt Brandis.
Ilse Gutowski wurde am 25. August 1932 in Leipzig geboren. Sie lebte gemeinsam mit ihren Eltern Heinrich Arthur Gutowski und Bertha Elsa Gutowski (geb. Schreier) in Brandis am Markt 4. Sie litt von Geburt an sowohl an körperlichen als auch an geistigen Behinderungen. Nur wenige Wochen nach ihrer Einschulung wurde festgestellt, dass sie aufgrund ihrer Einschränkungen nicht weiter am Schulunterricht teilnehmen konnte.
Im Jahr 1944 wurde die Familie durch das Gesundheitsamt Grimma aufgefordert ihre Tochter in die Landesanstalt Großschweidnitz einzuweisen. Am 19. Mai 1944 wurde das junge Mädchen durch ihre Mutter in der Anstalt eingeliefert. Etwa einen Monat später, am 27. Juni 1944, verstarb Ilse Gutowski kurz nach ihrem zwölften Geburtstag. In der Krankenakte wurde angegeben, dass Sie in Folge von „septischen Scharlach“ verstorben ist. Wenige Tage zuvor wurde die Mutter über die Erkrankung informiert. In dem Schreiben steht jedoch, dass es Ilse gut geht und es keinen Grund zur Sorge gibt.
Im Sommer 1944 brach im Krankenhaus Großschweidnitz wegen Überbelegung und schlechter hygienischer Verhältnisse eine Scharlachepidemie aus. Durch Vernachlässigung oder bewusste Fehlbehandlung der Krankheit durch Ärzte und Pflegepersonal starben zahlreiche Patientinnen und Patienten. Eine von ihnen war Ilse Gutowski.
Zwischen 1939 und 1945 starben in der Landesanstalt Großschweidnitz insgesamt über 5.500 Menschen durch Unterernährung, Vernachlässigung und überdosierte Medikamente. Es waren psychisch kranke und geistig behinderte, aber teilweise auch altersschwache Menschen. Sie galten im Nationalsozialismus als „minderwertig“ und „lebensunwert“.
Im Rahmen der Projektarbeit absolvierte die Projektgruppe zwei Exkursionen. Die erste Exkursion ging ins Staatsarchiv Leipzig. Dort haben die Jugendlichen mit originalen Dokumenten und Akten den biografischen Hintergrund von Ilse Gutowski recherchiert. Für die andere Exkursion ist die Gruppe in die Gedenkstätte Großschweidnitz gefahren. Vor Ort haben wurde die Ausstellung besichtigt und die Jugendlichen haben sich mit der NS-„Euthanasie“ in der ehemaligen Landesanstalt beschäftigt. Zudem wurde ein Workshop durchgeführt und weitere Schicksale von Menschen kennengelernt, die ähnlich wie Ilse Gutowski in Großschweidnitz ermordet wurden sind.
Der Stolperstein für Ilse Gutowski soll im Sommer 2025 in Brandis verlegt werden.