Ein Stolperstein für Erich Liebermann-Roßwiese
Seit Frühjahr 2024 recherchieren etwa zehn Schülerinnen und Schüler der Thomasschule Leipzig mit der Unterstützung von Frau Dr. Allmuth Behrendt die Biografie und das Schicksal des Komponisten Erich Hans Liebermann-Roßwiese.
Erich Liebermann-Roßwiese wurde 1886 in Roßwiese (Kreis Landsberg an der Warthe) im heutigen Polen geboren und war der Sohn eines Rittergutsbesitzers. Der Maler Max Liebermann war ein Cousin seines Vaters. Liebermann-Roßwiese studierte unter anderem von 1907 bis 1909 in Berlin am Stern\\\\\\\\\\\\\\\’schen Konservatorium. Ab 1914 lebte er in Leipzig und arbeitete als Pianist, Klavierlehrer, Komponist und Librettist. Bei der Mitteldeutschen Rundfunk AG (MIRAG) wirkte er ab 1927 zunächst für die Schallplattenabteilung und leitete später die Konzertabteilung.
Liebermann-Roßwiese war evangelisch getauft, doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten galt er als Jude. Im Frühjahr 1933 verlor er seine Anstellung im Rundfunk. Das Rundfunkinstitut, von der MIRAG initiiert und dem Konservatorium angegliedert, musste etwa zur gleichen Zeit schließen. Hier war Liebermann-Roßwiese Dozent für Rundfunkmusik gewesen. Er versuchte vergeblich, eine Anstellung außerhalb Deutschlands zu bekommen, so zum Beispiel in der Türkei. 1938 ließen er und seine nichtjüdische Ehefrau, die Sängerin Rosalie Arnold, sich scheiden, wahrscheinlich um sie und ihre teils minderjährigen Kinder aus erster, „arischer“ Ehe nicht zu gefährden. Im gleichen Jahr bewarb er sich ebenfalls erfolglos beim niederländischen Rundfunk. Zuletzt musste er in einem Leipziger „Judenhaus“ in der Lortzingstraße 14 wohnen. Im Januar 1942 erhielt er die Aufforderung zur Deportation. Er war einer von 785 Menschen, die mit dem ersten Transport sächsischer Juden am 21. Januar 1942 in das Ghetto nach Riga deportiert wurden.
Liebermann-Roßwiese war herzkrank und körperlich beeinträchtigt und erreichte das Ghetto mit Erfrierungen. Im Rahmen des Projektes besuchten die Jugendlichen das Leipziger Stadtarchiv. Dort fanden Sie einen Bestand mit Briefen von Liebermann Roßwiese und seiner Familie. Mit Hilfe der Briefe erfuhren sie, dass Liebermann-Roßwiese noch aus dem Ghetto heraus Kontakt mit seinem (Stief-)sohn hielt, der als Wehrmachtssoldat zur selben Zeit in Riga stationiert war. Ende des Jahres 1942 verliert sich die Spur von Erich Liebermann-Roßwiese. Sein genauer Todestag ist unbekannt.
Ein Beitrag zu Erich Liebermann-Roßwiese findet sich im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen in der NS-Zeit und den Leipziger Blättern 84.
Der Stolperstein soll im Sommer 2025 am Floßplatz 26 in Leipzig verlegt werden.