Eine Stolperschwelle für Hubertusburg
Im aktuellen Stolperschwellenprojekt in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Mann-Gymnasium Oschatz recherchieren 20 Schüler*innen der 10. bis 12. Klassenstufe in regelmäßgen Projektreffen zu den NS-Euthanasieverbrechen in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg.
Das Schloss Hubertusburg in Wermsdorf wurde im Zeitraum von 1720 bis 1728 vom Kurfürsten „August der Starke“ als Jagdschloss erbaut. Nachdem es sich im Laufe der Zeit immer weiter zu einer psychiatrischen Einrichtung entwickelt hatte, wurde es ab 1893 zur Heil- und Pflegeanstalt umgewandelt.
Ab 1933 hielt die nationalsozialistische Ideologie Einzug in das Anstaltsleben, wodurch eugenische und rassenideologische Theorien immer bedeutender für den Klinikalltag wurden. Durch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden in der Landesanstalt (LA) Hubertusburg ab 1933 regelmäßig Menschen zwangssterilisiert.
Zwischen 1933 und 1940 war die LA jährlich mit ca. 1500 Patientinnen und Patienten belegt. Davon waren ca. 2/3 weiblich. Zu Hochzeiten gab es für alle Erkrankten nur 280 Pflegekräfte und 18 Ärzte, was selbst dann eine umfassende Betreuung und Pflege unmöglich machte. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde außerdem der vorgesehene Tageskostensatz immer weiter verringert, wodurch er sich von 1933 bis 1940/41 halbierte und somit keine ausreichende Ernährung gewährleistet werden konnte. Durch diese mangelnde Versorgung starben insgesamt mindestens 835 Menschen.
1940 wurde die Anstalt geräumt. Mindestens 1 706 Menschen wurden in andere Anstalten “verlegt”. Lediglich 141 von ihnen blieben als „Arbeitskommando“ zurück. Vergleichbar große Aktionen gab es im sächsischen Einflussgebiet nicht. Wobei dieser Umstand auf die neue Nutzung des Schlosses als Unteroffiziersschule und Militärlazarett zurückzuführen sein dürfte. Viele der männlichen Patienten wurden in die Landesheil- und Pflegeanstalt Waldheim verlegt, welche als Zwischenstation für die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein fungierte. So wurden zwischen April und Juli 1940 insgesamt über Waldheim 729 Patienten aus der LA Hubertusburg und der LA Leipzig-Dösen nach Pirna-Sonnenstein verlegt und dort ermordet. Dieses Vorgehen ist auf die 1939 beschlossene „Aktion-T4“ zurückzuführen, welche die „Tötung lebensunwerten Lebens“ vorsah.
Im Mai 1940 wurden jedoch nochmals 572 Patientinnen und Patienten nach Hubertusburg verlegt. Der Großteil stammte aus der Anstalt Dösen und sollte nach der Zwischenunterbringung in Hubertusburg weiterverlegt werden. Viele starben allerdings bereits in der Anstalt.
Am 5. Mai 1945 trafen sowjetische Streitkräfte in Wermsdorf ein und übernahmen das seit 1940 bestehende Militärlazarett. Anschließend wurde im Herbst 1945 in der Hubertusburg wieder ein Allgemeinkrankenhaus eröffnet. Heute ist es ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie.
Um einerseits den aktuellen Forschungsstand zu den Opferzahlen der NS-Euthanasie öffentlich sichtbar zu machen und andererseits den Opfern der NS-Verbrechen zu gedenken, wollen wir eine Stolperschwelle mit einer ausführlicheren Informationstafel am Haupteingang des heutigen Krankenhauses in der Hubertusburg installieren. Die Informationstafel kann hier eingesehen werden: Hubertusburg Info Kurz 12-03-24
Die Verlegung der Stolperschwelle fand am 07. Mai 2024, um 13:30 Uhr vor der Rezeption des heutigen Fachkrankenhauses Hubertusburg statt. Der MDR https://www.tmg-oschatz.de/unsere-schule/aktuelles/707-mdr-sachsenspiegel-am-07-05-2024-forschungsprojekt-zu-ns-verbrechen-auf-hubertusburg.html und die Leipziger Volkszeitung (LVZ) https://www.lvz.de/lokales/nordsachsen/oschatz/wermsdorf-lob-und-kritik-fuer-stolperschwelle-an-klinik-hubertusburg-B2X3HQJBPJGVLKI4DKQT35STTA.html berichteten über die Verlegung.
Das Projekt wurde gefördert durch die Partnerschaft für Demokratie Nordsachsen.