Zwei Stolpersteine für Dora und Walter Baunack
Nachdem der Erich-Zeigner-Haus e.V. in den vergangenen Jahren bereits mehrfach Stolpersteine in Zusammenarbeit mit der Werner-Seelenbilder-Oberschule aus Bad Lausick verlegen und in diesem Zuge mehreren verschiedenen Opfergruppen (Juden/Jüdinnen, Sozialdemokrat*innen, Zeug*innen Jehovas, Opfer der NS-Euthanasie) der NS-Zeit gedenken konnte, soll nun im Herbst 2020 einer weiteren Opfergruppe gedacht werden. Mit der Verlegung zweier Stolpersteine für Dora und Walter Baunack soll daran erinnert werden, dass auch Kommunist*innen in der Zeit der Nationalsozialismus verfolgt wurden.
Die Recherche zum Schicksal von Dora und Walter Baunack begann bereits im zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 im Herbst und sollte nun im Herbst 2020 zum Abschluss kommen. Der Projektabschluss wurde jedoch durch die Corona-Pandemie verzögert.
Seit Beginn des Projektes konnte die Projektgruppe, bestehend aus 15 Schüler*innen der 10. Klassenstufe, bereits eine Exkursion ins Leipziger Staatsarchiv unternehmen und originale NS-Akten aus dem Leipziger sowie aus dem Dresdner Staatsarchiv einsehen, die von der Verfolgung des Ehepaars Baunack berichteten. Im Rahmen der Projekttreffen an der Schule lernten die Jugendlichen zudem mehr über politische Verfolgungen unter dem nationalsozialistischen Regime. Eine zweite Exkursion unternahmen die Schüler*innen zum Südfriedhof, wo sie die Gedenkstätten der Widerstandskämpfer*innen gezeigt bekamen.
Nachdem die Recherchephase des Projektes nun erfolgreich abgeschlossen werden konnte, gingen die Schüler*innen mit ihrem eigens gestalteten Projektflyer auf Spendensammlung, um die Fertigung der Stolpersteine für das Ehepaar Baunack finanzieren zu können.
Das Schicksal von Dora und Walter Baunack
Walter Erich Otto Baunack wurde am 18.02.1905 in Leipzig als Sohn des Schneiders und Gastwirts Friedrich Otto Baunack geboren. Er hatte noch einen Bruder und eine Schwester. Der Mädchenname seiner Mutter war Emma Maria Junghans und die Familie lebte zunächst in der Sidonienstraße 16 in Leipzig.
Walter Baunack gehörte den sogenannten „Freidenkern“ an und hatte mit seiner Frau Dora, die er 1936 heiratete, zwei Kinder – Klaus Peter, geboren am 02.12.1935, und Carla, geboren am 07.11.1946. Walter Baunack besuchte die Volksschule/mittlere Bürgerschule in Leipzig und Bad Lausick, schloss 1919 die Schule ab und begann eine Handwerkslehre zum Mechaniker in Bad Lausick. Im Alter von 18 Jahren gründete er dort eine Ortsgruppe des kommunistischen Jugendverbandes (KJVD) und trat bald darauf der KPD bei. Zwischen 1923 und 1925 zog er als Wanderbursche umher und arbeitete in verschiedenen Städten in Norddeutschland. In Chemnitz, wo er später zeitweise lebte, arbeitete er von 1928 bis 1930 als Werkzeugmacher für die Reinecker Werke. Außerdem war er weiter in der KPD in Chemnitz aktiv.
Durch seine anhaltende politische Aktivität wurde Walter Baunack 1930 wegen „Polizeizersetzung“ zum ersten Mal verhaftet. Nach einer 19- monatigen Untersuchungshaft wurde er vom IV. Strafsenat des Reichsgerichts wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Diese verbüßte er in Auerbach/Vogtland. Nach der Haft nahm Walter Baunack 1932 wieder die politische Arbeit auf und organisierte u.a. Protestdemonstrationen. 1933 entging er vorerst der Verhaftung durch die Nazis. Er fand „illegalen“ Unterschlupf in Leipzig und Chemnitz, wurde aber dennoch im gleichen Jahr auf offener Straße in Chemnitz verhaftet und in die „frühen“ KZ-Lager nach Colditz und Sachsenburg überführt. Im Oktober 1934 wurde er entlassen und 1937 erneut verhaftet. Während der Nazizeit stand er in ständigem Kontakt mit der KPD.
In der gesamten Zeit der faschistischen Diktatur stand ihm seine Frau Dora Baunack unterstützend zur Seite, die selbst politisch aktiv war. Dora wurde am 29.10.1907 unter dem Namen Gertrud Dora Müller in Bad Lausick geboren. Die gelernte Verkäuferin engagierte sich bereits vor 1933 politisch bei der Roten Hilfe und war als Vorsitzende der SAJ (Sozialdemokratische Arbeiterjugend) in Bad Lausick aktiv. Im Jahr 1927 wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei. Aufgrund ihres politischen Engagements wurde sie am 26.03.1933 in ihrer Wohnung verhaftet und in das Bad Lausicker Gerichtsgefängnis gebracht. Dort musste sie eine 14-monatige „Schutzhaft“ in Einzelhaft verbüßen. Nach ihrer Entlassung im Mai 1934 wurde sie aufgrund dieser Haftstrafe nicht erneut angestellt und musste „stempeln“ gehen, um ihre Bezugsberechtigung von der Erwerbslosenführsorge nicht zu verlieren. Außerdem durfte sie ein Jahr lang nicht die Stadt verlassen und musste sich täglich bei der Polizei melden. Von 1933 bis 1945 leistete sie aktiv antifaschistische Arbeit. Auch nach ihrer Haftstrafe arbeitete sie „illegal“ weiter. Sie wurde später als Opfer des Faschismus, Kämpferin gegen den Faschismus und am 26.06.1951 als Verfolgte des Naziregimes anerkannt. Nach dem Krieg organisierte sie gemeinsam mit ihrem Mann den Aufbau der Parteiorganisation in Bad Lausick und im Kreis Borna. Sie arbeitete außerdem in Glashütte bei Dresden, wo die Baunacks später lebten, als Sachbearbeiterin in der Stadtverwaltung. In der nachfolgenden Zeit arbeitete Walter Baunack entsprechend der jeweiligen Parteiaufträge als Treuhänder eines Chemnitzer Betriebes, besuchte Lehrgänge und Parteischulen, war tätig als Direktor der Pumpenfabrik Coswig und 1951 -1953 als Oberreferent im Ministerium für Maschinenbau. Er studierte an der TU Dresden, um mit 50 Jahren seinen Abschluss als Dipl. Ökonom zu machen und leitete danach als Direktor die Glashütter Uhrenwerke.
Die Verlegung der Gedenksteine für Dora und Walter Baunack
Die Verlegung der Stolpersteine für Dora und Walter Baunack konnte zunächst coronabedingt nicht stattfinden, wurde dann aber am 19. April 2021 um 12.30 Uhr in der Fabianstraße 10 in Bad Lausick unter strenger Einhaltung aller Auflagen zum Infektionsschutz umgesetzt.
Neben den Projektverantwortlichen, einigen Anwohner:innen und Passant:innen, der regionalen Presse und dem Motorradclub „Kuhle Wampe“ Muldental konnte auch Herr Bürgermeister Hultsch der Veranstaltung beiwohnen und ein paar Worte an die Teilnehmenden richten. Die Schülerinnen und Schüler haben die Verlegung selbst durch ein wunderbar ausgearbeitetes Rahmenprogramm begleitet.
Wenngleich die heute in Polen lebende Tochter der Baunacks leider aufgrund der derzeitigen Pandemielage nicht zur Verlegung der Stolpersteine für ihre Eltern anreisen konnte, wird am heutigen Dienstag ein Zeitzeugengespräch mit ihr und den Schülerinnen und Schülern über „Zoom“ durchgeführt. Wir freuen uns außerdem darüber, dass sie im Sommer, sofern es die Pandemie zulässt, gerne nach Leipzig und Bad Lausick kommen und die Steine besichtigen möchte.
Wir bedanken uns bei den Schülerinnen und Schülern der Projektgruppe, bei Herrn Bürgermeister Hultsch, der die Veranstaltung durch einen Redebeitrag unterstützte, sowie bei allen weiteren Teilnehmenden.
Materialien für die Projektarbeit:
Arbeitsblatt zum Thema Stolpersteine.pdf
Arbeitsblatt zum Thema KZ Sachsenburg.pdf
KZ Colditz Arbeitsblatt.pdf
Input – Das politische Geschehen in Deutschland 1933-1945 Teil 1 und Lernstandanalyse.pdf
Das Projekt wird gefördert von der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.