„Viele kleine Stiche“ – Ein Gedicht und Video zum Thema Alltagsrassismus
Im Rahmen eines Online-Seminars mit dem Titel „Machtmissbrauch und Chancengleichheit“ der SUA Umweltakademie führten wir gemeinsam mit einer Gruppe junger Erwachsener den Workshop „Digital präventiv gegen Alltagsrassismus im ländlichen Raum“ durch. Die Teilnehmenden, die aktuell ihr freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren, beschäftigten sich innerhalb der zwei Tage mit Alltagsrassismus und erstellten ergänzend eigene Videoclips. Zwei Teilnehmende wählten hierfür eine literarische Ausdrucksweise und verfassten das nachfolgende Gedicht, welches sie im Video zusätzlich illustrierten.
Viele kleine Stiche
Das grelle Licht des Kühlschranks, es leuchtet.
Ich muss nochmal raus.
Die Dunkelheit vor dem Fenster, die scheinbar leeren Straßen
widersprechen dem, machen mich wieder zum Kind.
Das Nachbarsmädchen und die seltsamen Namen mit denen es mich versieht.
Sie sind wieder da.
Doch meine Mutter sagte immer:
Mach dir nichts draus.
Also mache ich mir nichts draus.
Die Blicke, die sie sich zuwerfen.
Die leise geflüsterten Beleidigungen.
Vielleicht nur Einbildung.
Mach dir nichts draus.
Im Vorbeigehen ein Pfeifen.
Vielleicht nur Einbildung, vielleicht gar nicht an mich gerichtet.
Meine Freunde sagen:
Mach dir nichts draus.
Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht, als ich durch die Innenstadt eile.
Eine blaue Bewegung im Augenwinkel lässt mein Herz stolpern.
Vielleicht nur Einbildung,
doch jetzt ist mir kalt.
Und wenn ich im Büro den fünften Tag abwasche
mache ich mir doch etwas draus.
Der Frust staut sich langsam an,
kocht in mir hoch, rast im Kreis.
Sie hören nicht zu!
Und wenn er ausbricht, dann bin ich
zu laut,
zu aggressiv,
zu emotional.
Wenn der Fahrkartenkontrolleur weg ist,
sein misstrauischer Blick noch an mir haftend,
drehe ich mich zur Schreibe.
Mein Spiegelbild sieht mir entgegen und fragt mich
wieviel Bleiche ich über meine Haut und meine Weiblichkeit kippen muss
um den Menschen die Vorurteile von den Augen zu spülen.