Problematische Erinnerung?: Der 20. Juli 1944
Am heutigen 20. Juli jährt sich das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler zum 81. Mal. Wie jedes Jahr steht der Name Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Mittelpunkt der bundesweiten Gedenkfeiern. In Reden und Ritualen wird sein Handeln als Ausdruck von Gewissen, Mut und Widerstand gegen das NS-Regime gewürdigt.
So zentral der 20. Juli im kollektiven Gedächtnis verankert ist, so sehr wirft seine Darstellung Fragen auf, die selten Raum finden. Der militärische Widerstand, den Stauffenberg symbolisiert, war keineswegs frei von Widersprüchen. Viele der beteiligten Offiziere distanzierten sich erst spät vom NS-Regime – als eine militärische Niederlage Deutschlands wahrscheinlich geworden war. Menschen, die über lange Zeit mittrugen und dann aus politischen oder strategischen Motiven heraus opponierten, werden heute nicht selten zu moralisch eindeutigen Heldenbildern stilisiert.
Auch in Leipzig wird an Persönlichkeiten wie Carl Friedrich Goerdeler, erinnert, der dem Kreis des 20. Juli nahestand. Seine Rolle im Widerstand ist unbestritten. Gleichwohl ist auch sein politisches Denken – etwa in Bezug auf autoritäre Ordnungsmodelle und antisemitische Tendenzen – nicht frei von problematischen Aspekten. Gedenkformen, die historische Ambivalenzen ausblenden, geraten in Gefahr, eher Affirmation als kritische Auseinandersetzung zu bieten.
Auffällig bleibt zudem, wem nicht oder nur randständig gedacht wird: Der Name Georg Elser etwa erscheint seltener in offizieller Gedenkpolitik. Dabei war es Elser, der bereits 1939 – allein und aus tiefer persönlicher Überzeugung – ein Attentat auf Hitler verübte. Sein Widerstand war früh, entschlossen und ohne strategisches Kalkül. Gerade diese Klarheit macht seine Geschichte bemerkenswert – und zugleich irritierend abwesend in der öffentlichen Erinnerung. Kommunistischer und Jüdischer Widerstand findet insgesamt in der Erinnerungskultur viel zu selten Platz. Denn oft hängt die öffentliche Erinnerung davon ab, wie gut sich bestimmte Biografien in ein narratives Bedürfnis nach patriotischer Haltung und nachträglicher Selbstvergewisserung einfügen.
Die erinnerungspolitische Landschaft bleibt damit unvollständig. Ein Gedenken, das diese Strukturen mitreflektiert, wäre ehrlicher.