Im Jahre 1938 brannten im gesamten Deutschen Reich unzählige Synagogen. Diese Pogrome bildeten einen weiteren Höhepunkt einer beispiellosen Verfolgung und Vernichtung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Heute werden erneut Schuldzuweisungen und Vorurteile laut und leider oft unbedacht an Stammtischen wiederholt. „Die Anderen“ werden als „Fremde“ für die politische und soziale Schieflage in der Bundesrepublik verantwortlich gemacht. Vergessen wir nie, wohin dies führte: zu millionenfacher Verfolgung, Entrechtung und der systematischen Ermordung von Juden, Sinti und Roma, politischen Gegnern und konfessionell Verfolgten, Homosexuellen und Meschen mit körperlichen oder kognitiven Behinderungen. Wir wenden uns entschlossen gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus und rufen dazu auf, für ein demokratisches Miteinander, für Weltoffenheit und Zivilcourage einzutreten.
Da in diesem Jahr der 9. November auf einen Samstag fällt, an welchem die jüdische Gemeinschaft Shabbat feiert, findet die Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine Putzen“ am Sonntag, den 10. November, in der Zeit zwischen 10 und 18 Uhr statt.
Jedes Jahr am 9. November erinnern viele Städte, Vereine und Institutionen an die Pogrome, die 1938 von den Nationalsozialisten an den Jüdinnen und Juden des damaligen Deutschen Reichs verübt wurden – so auch wir in Leipzig. Diese Verbrechen haben nicht nur jüdisches Religions- und Kulturgut zerstört, sondern bildeten einen weiteren Höhepunkt einer beispiellosen Verfolgung und Vernichtung an MitbürgerInnen des Landes.
Als Leipziger Zivilgesellschaft wollen wir jedes Jahr daran erinnern, indem wir die Stolpersteine putzen, die zur Mahnung und Vergegenwärtigung der Schicksale Einzelner in den Boden eingelassen wurden. Das Reinigen der Steine dient letztlich nicht nur dem Erinnern, sondern sorgt zudem für einen erneuten Glanz der Steine, die das restliche Jahr über durch die Witterung stark verschmutzen. Zuletzt dient es auch einer Art Inventur – wenn an jedem Stein kontrolliert wird, dass er nicht kaputt, beschädigt oder durch unterschiedliche Gründe entfernt wurde, können wir im Zweifelsfall einen neuen Stolperstein in Auftrag geben oder Schändungen melden. 2007 hatte der Friedenszentrum Leipzig e.V. die Idee zum Putzen der Stolpersteine. Das Erich-Zeigner-Haus freut sich, diese Idee seit vielen Jahren mit der Hilfe der Leipziger BewohnerInnen fortzuführen.
Eine Mahnwache an einem Stolperstein-Verlegeort findet ganz individuell in der Zeit zwischen 10.00 Uhr und 18.00 Uhr statt. Die PutzpatInnen können selbst entscheiden, wann und wie lange sie an „ihren“ Stolpersteinen verweilen möchten. Biografien, Kerzen, Steine oder Blumen können hierbei gerne an den Stolpersteinen niedergelegt werden.
Nach erfolgreicher Auswahl eines Stolpersteins über das Anmeldeformular in der unten stehenden Karte, werden Sie als Akteur und damit PutzpatIn eingetragen. Am 10. November können Sie individuell zwischen 10 und 18 Uhr an ihrer Stelle eine Mahnwache abhalten und die Stolpersteine putzen. Die Biografien und Schicksale der einzelnen Personen sind mit einem Link direkt angegeben. Diese können ausgedruckt in Klarsichtfolie neben die Steine gelegt werden. Wenn Sie wollen, können Sie zudem mit Blumen, einer Kerze oder mit kleinen Steinen den Stolperstein nach dem Reinigen schmücken. So fällt er nach Ihrer Mahnwache allen auf, die daran vorbei gehen und noch mehr Menschen werden darauf aufmerksam. Kommen Sie gerne auch mit vorbeilaufenden PassantInnen in Kontakt und tragen Sie die Gedenkaktion weiter. Wenn Sie wollen, können Sie uns im Anschluss per Mail von Ihren Erfahrungen berichten. Auch über Bilder freuen wir uns sehr.
Wir wollen durch die Anmeldung für eine Patenschaft sicherstellen, dass an allen in Leipzig verlegten Stolpersteinen Mahnwachen abgehalten und die Steine gereinigt werden.
Am Donnerstag, den 9. November 2023, wurde in Leipzig an die Reichspogromnacht 1938 erinnert. 85 Jahre, nachdem im ehemaligen Deutschen Reich Synagogen und jüdische Geschäfte brannten und die beispiellose Verfolgung der europäischen Jüdinnen und Juden einen erneuten Höhepunkt durchlebte, war das Gedenken wichtiger dennje. Der Antisemitismus hat nie abgenommen, ist in unserer Gesellschaft wieder salonfähig geworden und durch den Krieg im Nahen Osten sind so viele jüdische Menschen ermordet worden, wie seit der Shoah nicht mehr. Wir haben als Gesellschaft eine Aufgabe und einen Auftrag: Wir dürfen den Kampf gegen Intolleranz, Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit nicht aufhören zu führen und wir dürfen niemals vergessen, was damals passiert ist und wie es dazu kam.
Als Erich-Zeigner-Haus e.V. haben wir zum bereits 16. Mal die Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine Putzen“ organisiert. Dank der vielen engagierten Beteiligten aus unserer Stadt konnten über 700 Stolpersteine geputzt und an die dahinterstehenden Schicksale erinnert werden. Am Dittrichring 13 fand durch den Verein die Auftaktveranstaltung statt, an der Dr. Friedrich Magirius (Städtepräsindent und Superintendent a.D.), Christian Wolff (ehem. Pfarrer der Thomaskirche), Frank Kimmerle (Ehrenvorsitzender des Erich-Zeigner-HAus e.V.) und Dr. Antje Noltin (Referat Wissenspolitik der Stadt Leipzig) teilnahmen und mit bewegenden Worten uns daran erinnerten, dass wir niemals vergessen dürfen.
Im Anschluss fand an der Synagogengedenkstätte die städtische Gedenkveranstaltung in der Gottschedstraße statt. Hier redeten Oberbürgermeister Burkhard Jund, Generalkonsul Crosby des US-Konsulats Leipzig, der Leiter des Ariowitschhauses Küf Kaufmann und von unserem Verein Caroline Lewkowitz.
Hier finden Sie Impressionen des Tages:
Auf dieser Karte sind die einzelnen Stadtbezirke Leipzigs zu erkennen. Wenn Sie auf den Stadtbezirk klicken, in dem Sie gerne PutzpatIn werden möchten, erscheint unterhalb eine Liste mit allen Stolpersteinen, die in diesem Bezirk zu finden sind. Dort, wo niemand als Akteur eingetragen ist, finden Sie links neben dem Namen ein kleines Symbol. An diesen Stellen können Sie sich direkt über das dort angegebene Anmeldeformular als PatIn anmelden. Es erfolgt keine automatische Antwort. Wenn Sie keine Mail bekommen, können Sie nach 1-2 Tagen an dem Stolperstein nachschauen, ob Sie eingetragen wurden.
Sollten Sie Rückfragen haben, finden Sie hier die wichtigsten Kontaktinformationen:
Die Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine Putzen“ wird auch in diesem Jahr vom Kulturamt der Stadt Leipzig unterstützt.
In diesem Jahr findet die Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine Putzen“ am Sonntag, den 10. November statt!
Wir freuen uns darüber, dass alle Stolpersteine auch in diesem Jahr PutzpatInnen haben!
Stolpersteine mit dem Symbol haben noch keine(n) Putzpatin / Putzpaten
Nr. Stolpersteine für Leon Dressler und seine Familie
Ort
Leipzig, Leipzig Mitte
Hinweis
Dr. Leon Dressler wurde am 25.09.1895 in Tarnopol ge-
boren. In der Saison 1914/15 spielte er in der 1. Mann-
schaft des VfB Leipzig. Er diente von 1915 bis 1918 als
Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nach dem Ers-
ten Weltkrieg hat er 1918 sein Studium der Rechts-
wissenschaften in Leipzig aufgenommen. Seine zwei-
te juristische Staatsprüfung legte er 1923 mit „summa
cum laude“ ab. Daraufhin eröffnete er 1924 als Einzel-
anwalt eine Kanzlei in Leipzig. Dabei war er ständiger
Rechtsberater von Leipziger Firmen. Er spielte außer-
dem im jüdischen Fußballverein „Sportklub Bar Koch-
ba Leipzig“ und engagierte sich im gemeinnützigen jü-
dischen „Hilfsverein israelitischer Gewerbetreibender
Bar Kochba e.V.“.
Im Zuge der sogenannten Reichspogromnacht wurde
jedoch auch Leon Dressler aufgrund seiner Religion
Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und wurde
am 10.11.1938 in das Konzentrationslager Buchenwald
deportiert. Das Geschäft seines Bruders Karl Dress-
ler wurde in der gleichen Nacht zerstört. Karl Dressler
wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Leon Dressler wurde am 19.10.1938 die Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft entzogen. So wurde ihm seine
Lebensgrundlage genommen. Nach seiner Entlassung
aus dem KZ Buchenwald flüchtete Leon Dressler im
Dezember 1938 über Frankreich in die Schweiz. Dort
arbeitete er in der Uhrenbranche. Im Frühjahr 1941 floh
er weiter nach Kuba, wo er 1946 die kubanische Staats-
bürgerschaft erhielt. Nachdem er ab 1947 in New York
lebte, ging er Ende 1956 wieder zurück in die Schweiz.
Dort starb er am 01.10.1968 in Genf.
Mit dem Begriff Reichspogromnacht oder auch „Reichs-
kristallnacht“ wird die Nacht vom 9. auf den 10. No-
vember 1938 bezeichnet, als organisierte Schläger-
trupps der Nationalsozialisten in vielen deutschen
Städten Synagogen anzündeten, jüdische Geschäfte
plünderten, Juden verprügelten und töteten. Mit dem
Pogrom und der anschließenden Verhaftungswelle er-
reichte die antisemitische Politik des NS-Regimes eine
weitere Stufe, die am Ende in den Völkermord an den
europäischen Juden führte.
Nr. Ein Stolperstein für Alfred Buchner
Hinweis
Seit dem Jahr 2023 recherchierte ich, Helena Hummelsheim, Schülerin der 12. Klasse des
Gymnasiums Engelsdorfs, im Rahmen meiner Komplexen Leistung, die ich im Herbst 2024
fertigstellte, zu dem Widerstandskämpfer Alfred Bucher. Das Ziel meiner Arbeit und Recherche lag
darin, nachzuweisen, dass Alfred Bucher von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und damit zu
beweisen, dass er einen Stolperstein verdient. Im Rahmen meiner Recherche arbeite ich mit dem
Erich-Zeigner-Haus zusammen, um möglichst viel von Alfred Buchers Geschichte aufzudecken. Die
Recherche begann mit nicht viel mehr als seinen Lebensdaten, seiner Herkunft und seinem Sterbeort.
Doch es gelang mir, den Großteil von Alfred Buchers Leben zu rekonstruieren und die Verlegung
eines Stolpersteines zu begründen.
Alfred Bucher wurde am 26.01.1898 in Trebsen in der Nähe von Leipzig geboren. Er zeigte viel
Interesse für Kunst und auch für Politik. Nach dem 1. Weltkrieg studierte Bucher an der Akademie
der Künste in Dresden und schrieb ab 1930 in Leipzig am Kabarett „Die Litfaßsäule“ Texte, die sich
gegen den Antisemitismus und den Nationalsozialismus aussprachen.
In dieser Zeit gründete Bucher eine Familie. Er heiratete Elli Bucher (geb. Reiber). Das Paar bekam
eine Tochter, Anita. Es lässt sich vermuten, dass Elli Bucher und ihre Familie dem Judentum
angehörten. Alfred Bucher war also nicht nur dadurch, dass er sich öffentlich gegen den
Nationalsozialismus aussprach, gefährdet, sondern auch durch seine Nähe zum Judentum.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 floh Bucher ins Exil nach Paris, wo er sich weiter für Kunst
und Politik engagierte. 1936 kämpfte Alfred Bucher vermutlich in den Internationalen Brigaden
gegen die Franco-Diktatur in Spanien. Wenn er am spanischen Bürgerkrieg teilnahm, war das Buchers
erster Widerstand, der über Worte, Schriften und Kunst hinausging. Im Jahr 1938 müsste er dann
spätestens nach Frankreich zurückgekehrt sein, da in diesem Jahr die Internationalen Brigaden
aufgelöst wurden.
Man weiß, dass Bucher 1940 in einem Internierungslager in Florac im Departement Lozère als
Forstarbeiter arbeitete. Von dort aus baute er Verbindungen unter anderem mit seinem Lamdsmann
Otto kühne auf, einem heute sehr bekannten Resistance Mitglied. Er ermöglichte Alfred Bucher,
1942/43 der Resistance beizutreten. Im Lozère wurde die französische Resistance vor allem von aus
Widerstandskämpfern bestehenden Gruppen, genannt Maquis, repräsentiert. Diese Gruppen, die
relativ unorganisiert waren, versuchten die Kontrolle der Deutschen und des Vichy Regimes im Süden
Frankreichs zu untergraben.
Nach überraschend erfolgreichen Kämpfen im Lozère 1944, für die sich drei Maquis
zusammenschlossen, um den deutschen Truppen entgegentreten zu können, wechselte Bucher, der
vorher dem Maquis „Veylet-Kühne“ angehörte, zu dem etwas größerem Maquis „Bir Hakeim“ Die
Gruppe „Bir Hakeim“ bestand aus 65 bis 80 Mann. Die Kämpfer machten sich auf den Weg nach La
Parade, um dort länger auszuharren. La Parade ist eine kleine Gemeinde auf der Hochebene Causse
Méjean und liegt in 993 Meter Höhe. Ein lokaler Gendarm, der die Gruppe Widerstandskämpfer
bemerkte, informierte seinen Vorgesetzten über den Maquis auf dem Weg nach La Parade. Deutsche
Truppen aus Mende bewegten sich sofort in Richtung La Parade und erreichten die Hochebene am
frühen Morgen des 28. Mai 1944. Die Truppe teilte sich auf und griff die Widerstandskämpfer von
zwei Seiten an. Durch dieses Einkesseln gab es nur einzelne Überlebende im Gefecht. Aus Berichten
dieser Überlebenden weiß man, dass auch Alfred Bucher am 28. Mai 1944 im Kampf gegen den
Nationalsozialismus ums Leben kam. Er wurde 46 Jahre alt.
Zur Erinnerung an die Opfer des Massakers von La Parade errichtete man eine Stele am Eingang des
Ortes. Hier findet man Alfred Buchers Namen. Im Herbst 2023 suchte und fand ich diesen Ort und
legte an der Stele Blumen nieder.
Buchers Frau und seine angeheiratete Familie wurden im KZ Auschwitz von den Nationalsozialisten
ermordet, davon erfuhr er wahrscheinlich bis zu seinem Tod nichts. Die Tochter Anita blieb bei ihrem
Großvater, doch ihr Schicksal bleibt unbekannt.
Alfred Buchers Leben war geprägt vom Einfluss des Nationalsozialismus, schon in seiner Jugend
versuchte er, dagegen anzukämpfen und starb schlussendlich wie viele andere Widerstandskämpfer
im Kampf gegen den Fremdenhass, die Unterdrückung und für die Freiheit.
Nr. 102Max Flaschmann und Toni (geb. Fischelsohn) und Sohn Felix; Isaak Mayer Bardfeld, seine Frau Gittel Bardfeld, geb. Steigmann, die Kinder Henny, Leopold, Frieda , Regina, Josef Heinrich, Nathan, Moritz, Simon und Moses Abraham Bardfeld und Enkel Peter Christian
Ort
Ernst-Pinkert-Straße 9, damals Yorkstraße, Leipzig Mitte